Trekking im Matsch & interkulturelle Freundschaften in Sapa

Abwechlunsgreiches Trekking in Sapa

(04. – 06.01.2024)
Morgens um 7 Uhr geht unsere “3-days and 2 nights Trekking-Tour nach Sapa“ ab unserem Hotel los. Johannes und ich haben bei der Buchung extra die Tour gewählt, die die meiste wandermäßige Verausgabung verspricht und sind gespannt, was uns nach der 5-stündigen Busfahrt erwarten wird. Das Einzige was wir bisher vom Tourablauf haben, ist der abfotografierte “schedule“, der Rest wird sich dann wohl nach und nach zeigen. Auch mal eine Übung sich zurück zu lehnen und auf die nächste Ansage der Reiseorganisatoren zu warten 😉.

Komfortables Reisen
Als Erstes bekommen wir unsere Betten im „sleeper bus“ zugewiesen. Es ist doch ein abgefahrenes Gefühl in einem Verkehrsmittel mal so richtig horizontal liegen zu können. Das habe ich bisher auf jeden Fall noch nicht gehabt. Und im Flugzeug würde mir das bei langen Strecken definitiv helfen um mal richtig schlafen zu können. Jetzt fühlt es sich für mich fast ein wenig schräg an, dass ich bis 13 Uhr liegen „darf“ 😉.  

Neblige Ankunft
Als wir mittags im Bergdorf Sapa (der Zentralstelle von der gefühlt alle Touren auszuströmen scheinen) ankommen, ist es super nebelig.

Bei Nebel deuten sich die Reisfelder nur mystisch-schemenhaft an.

Beim Ausstieg aus dem Bus können wir uns kaum vor weiteren Angeboten für Führungen oder Taxifahrten retten: “Thank you, we already have a tour“ und dann werden wir auch schon mit einem kleinen Taxi zu einem Hotel gefahren in dem wir den Ablaufplan erhalten und nach einem Mittagessen auf unsere Guide Dinh treffen. Diese finde ich direkt richtig sympathisch. Dinh gehört zum Stamm der Hmong (indigenes Volk in Ost- und Südostasien) und wird uns die kommenden Tage durch die ihr vertrauten Dörfer, Reisfelder und Wanderwege führen. Wir wundern uns noch, dass wir jetzt beide Nächte im gleichen „Home-Stay“ verbringen sollen und weniger Wanderkilometer als gebucht auf dem Ablauf stehen und merken das auch an. Als Erklärung erhalten wir die Antwort, dass es im anderen home-stay keine “private rooms” gäbe. Im Nachgang wäre hier vielleicht schon der Zeitpunkt gewesen, wo wir noch mehr hätten nachfragen sollen…
Spannend ist, dass sich direkt als wir zu sechst (witzigerweise sind noch zwei nette Münsteraner und eine sympathische Spanierin mit ihrem chilenischen Freund dabei) auf die erste Etappe los laufen weitere Hmong Frauen (man erkennt diese sofort an ihren bunt karierten Tüchern) unserer Tour anschließen. Außerdem tragen sie alle eine Art Kiepe und es ist klar, dass sie sich für diese Begleitung am Ende etwas erhoffen werden.

Die Gummistiefel, die wir uns noch zu unserem provisorischen Wanderequipment ausgeliehen haben helfen uns definitiv im größten Schlamm und Wasser trockene Füße zu behalten. Dafür machen sie mich auch ein wenig unbeholfen und ich schlittere etwas über die Wege. Die Hmong Frauen tänzeln in ihren Gummistiefeln mühelos neben, vor und hinter uns her und reichen uns wenn notwendig eine unterstützende Hand.

Blaue Hände und andere Lebensrealitäten
Wir machen zwischendurch mehrere Stopps und lernen dabei etwas über die Umgebung und Sitten des Hmong-Stammes. Besonders charakteristisch ist wohl auch, dass die Frauen des Stammes schon sehr früh verheiratet werden und Kinder bekommen. Das ist mit 12 oder 14 Jahren keine Besonderheit. Dinh ist 29 und hat fünf Kinder daheim. Sie hat sich quasi hoch gearbeitet und ist auch zunächst, wie die anderen Damen, die uns begleitet „tourists gefolgt“. Als ihr Englisch dann immer besser wurde, hat sie angefangen als Guide zu arbeiten.
An einer Stelle zeigt und Dinh auch die Indigo-Pflanze mit welcher Kleidung tief blau gefärbt wird. Wir dürfen die Farbintensität dann anschließend, wenn wir kein Problem damit haben, die kommenden 3 Tage blaue Hände zu haben, auch ausprobieren. Da bin ich natürlich direkt mit dabei und habe nach fünfminütigem Zerreiben der Pflanzenblätter in meinen Händen ein beeindruckendes Ergebnis.

Happy tea und kalte Hochzeitsnächte
Nach einer kurzweiligen Wanderung durch die kalten Berge und matschigen Reisfelder kommen wir an unserer Unterkunft für die Nacht an. Auf dem letzten Stopp durften – bzw. wohl eher mussten 😉 – wir noch einige Käufe bei unseren Begleiterinnen tätigen. Von kleinen Täschchen über Wandteppichen – es ist dabei alles selber hergestellt.
Mittlerweile ist es richtig eisig geworden, daher freuen wir uns aufs Essen. Die Frühlingsrollen dürfen wir dafür noch selber rollen, bevor wir dann unsere Zimmer beziehen. Dabei bestehen keine Zweifel, dass das eine ganz schön kalte Nacht wird (wir haben dann fast in allen Anziehsachen geschlafen, die wir dabei hatten) und zudem wohl auch nicht “bergidylisch ruhig”. Denn einige hundert Meter Luftlinie von unserem Home-Stay entfernt wird eine dreitägige Hochzeit gefeiert. Das Schönste daran sind die schiefen Karaoke-Gesänge der Hochzeitsgesellschaft, die uns noch in der Nacht begleiten.

Schönerweise sind wir aber so platt, dass wir auch ohne Ohropax wie Steine schlafen. Vielleicht liegt es auch ein wenig am „Happy tea“ (aka Reisschnaps), den Dinh uns nach dem sehr leckeren Essen kredenzt.

Kleiner Schnappschuss mit unserer Guide Dinh

Bambuswald und Wasserfälle
Nachdem wir uns am nächsten Morgen bei einem Kaffee aufgewärmt haben, geht es weiter auf Teil 2 der Wanderung. Für die anderen vier unserer Gruppe ist das auch schon die letzte Strecke. Der Weg durch den Bambuswald macht Spaß und in eigenem festem Schuhwerk ist das auch nicht mehr ganz so rutschig. Schönerweise hat es über Nacht etwas aufgeklart und wir sehen mehr von der malerischen Umgebung.

Nach einem letzten Wasserfallstop gibt es noch ein leckeres gemeinsames Mittagessen in einem local-restaurant. Ich glaube, ich werde nach Indonesien doch wieder zu „Omas Nudelkind“. Nachdem die anderen mit dem Zubringer-Bus nach Hanoi abgeholt worden sind, bleiben nur wir mit Dinh zurück. Leider stellt sich dann schnell heraus, dass wir nur noch mit ihr zu unserem home-stay (für night 2) zurück laufen und dann ab 14 Uhr free-time bis zum Abendessen haben. Ich sag es ganz direkt: Wir sind ziemlich enttäuscht. Die Tour hatte definitiv anderes versprochen und wir hätten gern noch weitere abgelegene Gebiete der Sapa Area bewandert. Wir sprechen darüber auch noch mal mit Dinh und sehen aber alle ein, dass ein Wechsel der Tour jetzt definitiv zu spät ist. Also ergeben wir uns in unser „Schicksal“ und wollen mal versuchen das Beste aus der Situation zu machen. Dinh wird am darauffolgenden Tag etwas früher vorbeikommen und mit uns noch ein kleines Trekking machen. Sie rät uns noch, dass wir die fehlerhafte Buchung aber ruhig an unser Hotel in Hanoi kommunizieren können.


Fassungslosigkeit, Tränen & gegenseitiges Verständnis
Das machen wir auch auf ihr Anraten noch kurz, bevor wir uns noch auf den Weg machen um eine eigene kleine Wanderung zu unternehmen. Unser Feedback an das Hotel fällt konstruktiv, direkt und dabei freundlich aus. Wir schreiben natürlich, dass wir die Tour so nicht gebucht haben und traurig sind nicht so viel Wandern zu können, wie eigentlich geplant war. Gleichzeitig betonen wir natürlich, dass das nichts mit unserer tollen Guide zu tun hat.
Anschließend wandern wir sogar etwas in der Sonne und können später noch einen vietnamesischen Kaffee trinken.

Vietnamesischer Kokos-Kaffee - natürlich sehr süß :)

Das Hotel meldet sich via WhatsApp zurück und die Kommunikation wird ganz wild und Johannes hat schon so einen Riecher: Nicht, dass da jetzt noch was auf dem Rücken unserer Guide ausgetragen wird… Das Hotel bietet uns an jetzt noch zu dem anderen home-Stay zu fahren, den sie als sehr „Primitiv“ bezeichnen und deshalb nicht für uns gebucht hätten. “Communication is the key, I guess“. Haaaallo, ich bin doch hier – manches wäre in meinen Augen mit direktem Nachfragen so viel leichter zu klären und im Vorfeld zu lösen. Wir machen dem Hotel klar, dass das so nun keinen Sinn mehr hat und wir, wie bereits geschreiben, jetzt alles so lassen und dann noch die kleine Wanderung morgen an Tag 3 wahrnehmen.
Als wir am frühen Abend zum home-stay zurückkehren, bleibt mir gefühlt für einen kleinen Moment das Herz stehen. Vor unserer Tür sitzt unsere Guide Dinh und hat uns überall gesucht, sie ist ganz aufgelöst und hat auch ein bisschen geweint. Das kann doch nicht sein… Ich setze mich neben sie, mir kommen auch schnell die Tränen und wir versuchen heraus zu finden, was passiert ist. Anscheinend hat das Feedback des Hotels an ihre Company dazu geführt, dass diese beiden Seiten nun alles an ihr ausgelassen und schön ihre Verantwortung an das „kleinste Glied im Gruppenbuchungs-Wahnsinn“ abgegeben haben. Eigentlich hätte Dinh den Nachmittag frei gehabt und Johannes und ich waren ganz happy, dass sie so endlich mal Zeit mit ihren fünf (!) Kindern verbringen kann. So wie sie es uns – in ihrem nicht immer gut zu verstehenden Englisch- berichtet, hat ihre Company sie angerufen und den Auftrag gegeben nach uns zu suchen. Das ist so uncool, zumal wir ja mit ihr die Vereinbarung hatten, dass wir am nächsten Vormittag gemeinsam die letzte Wanderung machen. Was herzerwärmend in dem Moment und im Gespräch ist, ist das Dinh uns glaubt und spürt, dass wir zwei nichts Schlechtes über sie gesagt haben – ganz im Gegenteil. Ich mache vor ihren Ohren noch mal eine Sprachnachricht an unser Hotel in der ich auch sage, dass es einfach nicht sein kann, dass unsere Guide die Leidtragende ist. Wir versuchen uns alle ein wenig zu beruhigen und schicken Dinh eindringlich los nun endlich den Abend bei ihrer Familie zu verbringen.

Beim Abendessen und auch kurz vorm Einschlafen fühle ich mich richtig traurig. Dieses Happening hat mir noch mal umso mehr gezeigt, wie wichtig es ist, dass man Touren & Co - wenn mann dann kann - direkt bei den Menschen vor Ort bucht. Dieses hier sehr hippe Touren-Ding von Hanoi nach x,y,z zu buchen ,fühlte sich von Anfang an für uns ja nicht richtig an. Dass die fehlerhafte Buchung unseres Hotels nun so emotional werden würde, davon sind wir wirklich nicht ausgegangen. Besonders schlimm für mich ist auch in Vietnam der Satz „Is it okay, are you happy?!“ Das hat Dinh uns noch mehrfach gefragt, bevor sie dann an dem Abend aufgebrochen ist. Ich weiß, dass man in Asien in keinem Fall so direkt wie in Deutschland kommunizieren würde und trotzdem habe ich ihr gesagt, dass es uns viel wichtiger ist, dass sie happy ist und es ihr gut geht. Gleichzeitig fragen wir uns natürlich auch, ob wir mit dem Feedback an das Hotel zu direkt waren.. wenn Offenheit und konstruktive Worte so etwas auslösen?! Andererseits darf man meiner Meinung nach auch nicht vergessen, dass man als Tourist durchaus nicht wenig Geld für die gebuchten Touren zahlt und ein gegenseitiger kultureller Dialog für mich als die beste Lösung erscheint. Alles irgendwie nicht so einfach…

Letzte Stunden in Sa Pa

Am Tag darauf ist dann doch nicht Dinh, sondern ihre Schwägerin unsere Guide und wir machen bei Sonnenschein die schönste Wanderung vor Ort.

Letzte Wanderung in Sapa.

Auch der Abschied von Dinh ist richtig schön. Sie sagt auch noch mal, dass sie aus dem Vortags-Happening mit uns so viel gelernt hat. Unter anderem, dass sie sich von ihren Gästen lieber direkt die Handynummer geben lässt um diese zu erreichen. Wir haben ihren Tip in einer kleinen Karte verbastelt. Darüber freut sie sich sichtlich und nimmt prompt zwei Reifen von ihrem Arm und steckt uns jedem einen an. Es fühlt sich wirklich nach einer Art Freundschaftsbändern an. Wir tauschen auch noch WhatsApp Nummern aus, sie möchte zwischendurch mal Fotos aus Sapa schicken, und wir werden interessierten Reisenden in jedem Fall ihren Direkt-Kontakt weitergeben. Sie drückt uns am Ausgangspunkt noch mal super herzlich, dann bricht sie auch direkt in eine nächste Tour mit weiteren Touris auf, während wir wieder 5 Stunden Fahrt im Sleeper Bus nach Hanoi vor uns haben.

Weiter geht´s!

Easy-peasy unkompliziert wäre auch mal schön 😉
In Hanoi kommen wir spät abends an und freuen uns eigentlich nur noch darauf in die Betten unseres Hotels zu fallen. Unser erstes Hotel, was heute Nacht ausgebucht ist, hatte uns dafür eine Nacht in seinem Schwesternhotel gebucht. Als wir dort gegen 23 Uhr ankommen, schauen wir nur in ratlose Gesichter. Wir sollen eine Übernachtung gebucht haben? Das Hotel ist voll. Und auch von unseren eingelagerten Backpacks weiß man zunächst auch nichts… Irgendwann ist auch mal gut. Wir können mit unserer Rechnung schnell vorweisen, dass der Fehler definitiv nicht bei uns liegt und es wird eifrig telefoniert. Gähn, ich will doch nur schlafen… Final bringt uns der staff noch in einem weiteren sister-hotel unter, wo wir wohl das letzte Zimmer bekommen. Glück gehabt! So skuril die Situation auch wieder ist, es ist fast auch lustig, als wir mit der Rezeptionistin und zwei weiteren boys des Hotels, die unsere Rucksäche schultern die paar Minuten durchs nächtliche Hanoi dorthin laufen.
Am nächsten Morgen kommt sogar noch der Hotelmanager vorbei um sich persönlich bei uns zu entschuldigen. Das ist schon wieder ein enormer Einsatz. Denn er schenkt uns sogar noch ein Stick-Bild mit Reisfeldmotiv. Krass, irgendwie sind die menschlichen Kontakte in Vietnam bisher ziemlich deep. Und sicherlich sind es gerade diese Momente, in denen man dem Land und seinen Menschen abseits der flüchtigen Fassade so viel näher kommt.
Jetzt haben wir bei der 3,5 stündigen Busfahrt nach Cat Ba aber auch erstmal Zeit etwas durchzuschaufen.
Los geht es also auf die größte Insel der Halong-Bucht.

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Cat Ba und Ninh Binh: Verfalle ich dem „Karstfelsen-Glamour“ noch?

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Neuer Reisepass-Stempel für Vietnam – Unser Start in Hanoi